Eine beliebte Methode seine Mitbürger zu ärgern, die heute völlig aus der Mode gekommen ist, war in früherer Zeit das sogenannte „Geigen“. Dies fand in der Regel in den frühen Abendstunden nach Einbruch der Dämmerung statt, wenn man sich leichter …
verstecken konnte und nur einzelne Zimmer erleuchtet waren. Mittels eines Reißnagels wurde ein langer Zwirnfaden, in Ittlingen auch Sternfaden genannt wegen des sternförmigen Kartons, auf dem der Faden aufgewickelt war, an einem hölzernen Fensterrahmen am Haus des ausgewählten „Opfers“ befestigt. Dafür musste ein besonders Mutiger gefunden werden, der meist auch direkt am Fenster stehen blieb und das Innere des Raumes beobachtete, um erstens die erwünschte Wirkung des „Geigens“ auf die Bewohner voll genießen zu können und zweitens seine Komplizen zu warnen,
falls einer der Belästigten den Raum verlassen sollte, um nachzusehen was eigentlich los sei. Der Zwirnfaden wurde nämlich vom anderen Ende her straff gespannt und darauf mit einem Stück Kolophonium (Harz für den Geigenbogen) hin und her gestrichen. Dadurch wurde der Faden in Schwingung gebracht, die sich auf das Fenster übertrug und dieses in starke Vibrationen versetzte. Auf diese Weise entstand ein brummendes, mitunter sehr lautes Geräusch im Inneren des Raumes, das die Bewohner stutzig machen und ärgern sollte. Meist erkannten die Gefoppten rasch worum es sich handelte und einer kam nach draußen oder öffnete das Fenster und die Übeltäter mussten sich und ihr seltsames Streichinstrument in Sicherheit bringen indem sie schnell die Flucht ergriffen. Dass diese Aktionen nicht immer von dem erwünschten Erfolg gekrönt waren, zeigt ein Erlebnis, an dem ich selbst beteiligt war. Mit einigen Freunden war ich im abendlichen Dorf unterwegs, um vielversprechende Opfer für unser Vorhaben auszusuchen. Zwirn und Geigenharz hatten wir dabei und ein helles Fenster im Erdgeschoß war bald gefunden. Der Reißnagel mit dem Faden wurde am Fensterrahmen befestigt und wir konnten anfangen zu „Geigen“. Gleich war das laute Brummen und Schwirren bis zu uns her zu hören. In der Stube saßen eine ältere Frau mit ihrem erwachsenen Sohn und unser vorgeschobener Beobachter berichtete uns kurze Zeit später über das Gespräch, das er durch einen offenen Fensterflügel mitgehört hatte.
Die Mutter sagte: „Was brummt denn do so. Was isch denn do los?“. Und zu ihrem Sohn sagte sie: „Geh mol naus un guck!“.
Doch der antwortete nur: „Joo, Mutter, des senn doch nur Schmeißmugge an de Fensterscheibe“. Gegen eine solche Ruhe und Gelassenheit „anzugeigen“ war ein müßiges Unterfangen, also entfernten wir vorsichtig den Reißnagel, wickelten den Faden auf und zogen ziemlich enttäuscht von dannen.