Bei Anlässen wie unseren Dorfrundgängen erzählen uns „alte Ittlinger“ immer wieder von ihren Erlebnissen und Erinnerungen an „alte Zeiten“.

Die zurückliegende Kerwe bot wieder Anlass, sich daran zu erinnern und zu erzählen, wie und wo diese gefeiert wurde. Zunächst war die Kerwe ein Ereignis, auf das sich Jung und Alt freuten. Im Gegensatz zu heute mussten die Menschen körperlich schwer arbeiten und hatten wesentlich weniger freie Zeit. Sie mussten sparsam leben und waren kaum mobil, an ständige „Events“ war nicht zu denken.

Im früher bäuerlich geprägten Dorf waren zur Kerwe die schweren Arbeiten im Feld zum größten Teil beendet und es konnte mit gutem Gewissen gefeiert werden. So bot die Kerwe eine willkommene Gelegenheit in die Gasthäuser zu gehen, um dort einmal etwas Besonderes zu essen und zu trinken. Zu Hause gab es den Kerwekuchen, der auch reichhaltiger war als an üblichen Sonntagen. Am Kerwesamstag Abend fanden im „Bären“ und „Grüner Hof“ Tanzveranstaltungen statt – Höhepunkte der Unterhaltung im Jahresablauf. Da gehörten den Erzählungen nach auch manchmal Raufereien dazu, wenn junge Männer aus den Nachbarortschaften den Ittlinger Dorfschönen zu sehr den Hof machten und diese den Ittlinger Junggesellen abspenstig machen wollten. Traditionell gab es am Kerwemontag Mittag in allen Gaststätten umsonst das „Saueressen“, nämlich Kutteln. Bei diesem Anlass waren die Gasthäuser voll besetzt, und zwar fast ausschließlich von Männern! Es ging meist hoch her, für viele war der Kerwemontag der Höhepunkt des Ganzen.

Höhepunkt für die Kinder war natürlich der Rummelplatz am Kerwesonntag. Dieser befand sich früher vor dem alten Rathaus und dem Gasthaus zum Ochsen, heute Anwesen Hurka. Mittelpunkt war das in Ittlingen „Reitschul“ genannte Kinder-karussell, damals noch ohne elektrischen Antrieb. Zum Drehen gebracht wurde es von halbwüchsigen Jungen, die auf dem Dach der Reitschul standen und diese mit Gehen in Bewegung setzten. Für einige Runden Antrieb durfte dann umsonst mitgefahren werden.

Neben Ständen mit Süßigkeiten gab es oft noch für die Älteren die Schiffschaukel, die durch kräftiges Schaukeln in Bewegung gesetzt wurde, ganz Mutige konnten sogar einen Überschlag damit wagen. Für die Kinder gab es von den Paten, von Tanten und Onkeln das „Kerwegeld“, etwas ganz Besonderes in Zeiten in denen es üblicherweise sehr sparsam zuging und Kinder kaum eigenes Geld hatten! Nicht fehlen durfte bei der Kerwe der Marktschreier, der seine Waren von Hosenträgern bis zu Dingen des täglichen Gebrauchs mit oft derben Sprüchen an den Mann bzw. die Frau zu bringen versuchte.

Nach der ausgiebig gefeierten Kerwe begann dann die stille Zeit mit den Gedenktagen, und ab Advent konnten sich alle auf die näher rückende Weihnachtszeit freuen.

 

      Dr. Ulrich Kattermann