Im Vergleich zu vielen Regionen in der Welt, die von Krieg und sinnloser Zerstörung betroffen sind, leben wir in Wohlstand, Freiheit und Sicherheit. Dass das nicht immer selbstverständlich war, zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte unseres Dorfes zum Ende des zweiten Weltkriegs am 24. März 1945, vor 70 Jahren.

Bis dahin war Ittlingen von direkten Fliegerangriffen verschont geblieben. Es hatte zwar schon Bombenabwürfe in der Gemarkung gegeben, wahrscheinlich hatten sich amerikanische Jagdbomber auf dem Rückflug von Angriffszielen „übriggebliebener“ Bomben entledigt. Im Frühjahr 1945 hatten sich jedoch mit dem Vorrücken der alliierten Truppen auch in unserem Raum „Jabo“-Angriffe auf zivile Ziele wie Fahrzeuge, auf Züge und selbst auf Landwirte bei der Feldarbeit gehäuft. Den Erzählungen zufolge erfolgten auch immer wieder Angriffe auf einen oberhalb des Ittlinger Bahnhofs abgestellten und bereits zerstörten Lazarettzugs der Wehrmacht. Die Alliierten hatten zu diesem Zeitpunkt die absolute Lufthoheit, eine deutsche Luftabwehr existierte gerade im ländlichen Raum nicht. Die Luftangriffe verbreiteten Unsicherheit, Angst und Schrecken, erschwerten das tägliche Leben und Arbeiten und gerade im Frühling die anstehende Bestellung der Felder außerordentlich.

Der 24. März 1945, ein Samstag, war nach den Erzählungen älterer Ittlinger ein herrlicher Frühlingstag und begann mit einem „Jabo“-Angriff auf den Landwirt Gustav Kreiter, der mit seinem Kuhgespann im Wald Holz holte. Auf dem Heimweg, in Höhe der heutigen Grillhütte, erfolgte der Angriff auf ihn und sein Kuhgespann, eine Kuh wurde dabei vor dem Wagen getötet, ihm selbst passierte zum Glück nichts.

Nachmittags um 14:30 Uhr erfolgte dann ein Jagdbomberangriff auf das Dorf. Was diesen Angriff ausgelöst hat, darüber wird in Ittlingen immer wieder spekuliert. Die Front stand noch weiter westlich und es gab weder Kampfhandlungen noch deutsche Truppen in Ittlingen, wahrscheinlich handelte es sich um einen zufälligen Angriff.

Die „Jabos“ flogen von Westen her im Tiefflug an, einige Sprengbomben schlugen oberhalb des Friedhofs ein, richteten dort aber kaum Schaden an. Verhängnisvoller waren Phosphor-Stabbrandbomben, die Häuser und Scheunen zwischen dem Bauberg und dem Eulenberg bis östlich der Hauptstraße trafen und sofort alles in Brand setzten. Einen Treffer erhielt noch ein Haus in der Klostergasse, zum Glück handelte es sich dabei um einen Blindgänger. Ein weiterer Teppich aus Brandbomben ging südlich des Gänsgartens im Elsenztal nieder und richtete dort jedoch keinen weiteren Schaden an.

In dem schwer getroffenen, in kürzester Zeit brennenden Bereich ging es zunächst darum, Menschen und Vieh aus den brennenden Gebäuden zu retten. Dabei halfen alle mit – Ittlinger, französische Kriegsgefangene und polnische Zwangsarbeiter. Zum Glück kam kein Mensch zu Schaden, auch die meisten Tiere konnten aus den Ställen gerettet werden. Die Kühe des Landwirts Adolf Klein verbrannten, da auf der Hauptstraße kein Durchkommen mehr war.

Die Freiwillige Feuerwehr Ittlingen, unterstützt von Wehren aus den Nachbarorten, versuchte zu retten, was zu retten war, konnte aber kaum noch etwas ausrichten. Die Feuerwehren waren zu jener Zeit mit älteren Männern, Hitlerjungen und vor allem mit Frauen besetzt, da die jüngeren Männer als Soldaten an der Front waren.

Bereits am 26.März 1945 erstattete das Rathaus einen Bericht an das Landratsamt in Sinsheim über die durch den Angriff entstandenen Schäden. Danach wurden nahezu 30 Anwesen total und weitere 10 teilweise zerstört. Insgesamt wurde vom Rathaus ein Gebäude- und Sachschaden von mehr als 200 000 Reichsmark geschätzt.

Auf dem beigefügten Lageplan haben wir das betroffene Areal umrandet.

Eine Notiz noch am Rande:

In der Schadensmeldung des Rathauses werden neben den Haus- und Lager-buchnummern auch die Eigentümer der zerstörten bzw. beschädigten Anwesen genannt. In zwei Fällen ist dies die Reichsfinanzverwaltung, da es sich um Häuser handelte, die deportierten Ittlinger Juden gehörten.

Der Schrecken des Krieges, die Angst und Unsicherheit sollten für Ittlingen nach dem Angriff noch etliche Tage andauern, bis Anfang April die Amerikaner einrückten. Dabei erfolgte zuvor noch ein Artillerieangriff, bei dem der Stall des Gasthauses Grüner Hof und das gegenüberliegende Anwesen von Willi Hockenberger getroffen wurden. Dabei wurde tragischer Weise ein italienischer Kriegsgefangener oder Zwangsarbeiter (?) getötet.

Nach den Erzählungen der Zeitzeugen wurde sofort nach Kriegsende mit dem Wiederaufbau begonnen, schon nach wenigen Jahren waren die Kriegsschäden nicht mehr zu erkennen.

 

       Michael Hauk