Der Tabakanbau hat in Ittlingen eine lange Tradition. Nach der 1910 über Ittlingen gefertigten Dissertation des damaligen Pfarrers Engelhardt wurden bereits im Jahr 1893 auf 14 ha Tabak angebaut, um 1908 waren es bereits 26 ha. Mit Tabak konnte  bezogen auf die Fläche der höchste Geldertrag erzielt werden. Damit lohnte ein Anbau selbst auf kleinen und kleinsten Flächen, z.B. auf Gartengrundstücken…

Der gesamte Anbau erfolgte ausschließlich in Handarbeit. Die meisten Tabak-anbauer zogen ihre Pflanzen selbst in Frühbeeten heran, der so genannten „Tabakskutsche“. Anfang Mai wurden die Tabakpflänzchen von Hand mit dem Setzholz ausgepflanzt. Dazu wurden in ein fein vorbereitetes Saatbett mit dem „Tabaksrechen“ kreuz und quer Rillen über den Acker gezogen und wo diese sich kreuzten, eine Pflanze gesetzt. Der Tabaksrechen war ca. 2 m breit und hatte etwa im Abstand von 60cm einen Zinken zum Rillenziehen. Wenn man in Ittlingen über jemanden sagte „…er hat ein Gebiss wie ein Tabaksrechen“ konnte sich jeder vorstellen, wie das aussah.

Ab Juni begann die Tabakernte. Jedes Blatt wurde von Hand gebrochen, dabei wurde mit den unteren Blättern begonnen. Das „Brechen“ wurde ca. 4-5 mal im Abstand von einigen Tagen wiederholt und die Tabakstängel dabei langsam leer. Von  jedem Durchgang, der unterschiedliche Qualitäten ergab, wurden die Blätter in „Tabakbuscheln“ mit ca. 60cm Durchmesser gesammelt und mit dem „Tabakgurt“ umschnürt nach Hause transportiert. Das Tabakbrechen war meist Frauenarbeit, während die Männer die Tabakbuscheln aus den Reihen trugen und zum Heimfahren aufluden. Das Tabakbrechen war eine schmutzige Arbeit, Tabakpflanzen sondern ähnlich wie Tomaten einen klebrigen Saft ab, der an den Kleidern kleben blieb. Deshalb wurden für diese Arbeiten die ältesten Kleider angezogen. Zu Hause wurden dann die Tabakblätter „eingefädelt“. Beim Einfädeln wurde die Mittelrippe des Tabakblattes mit der ca. 30cm langen schmalen Tabaknadel durchstochen und auf das sogenannte Tabaksgarn, eine ca. 1m lange dünne Schnur, aufgefädelt, die „Bandlier“ genannt wurde. Beim Einfädeln half man zusammen, oft erfolgte dies am Abend und entwickelte sich dabei zu einem Treff für junge Leute. Die Bandlieren wurden dann in sogenannten Tabakschuppen, erkennbar am steilen Dach und lockerer Bretterverschalung, oder unter Vordächern zum Trocknen aufgehängt. Ab November bis Dezember wurden die Bandlieren abgehängt und je nach Wetterlage über Nacht im Kuhstall gelagert, um die Blätter etwas anzufeuchten. Dann wurden die Schnüre entfernt, jedes Blatt kontrolliert, evtl. abgebürstet und in einem Holzbehälter, der für alle Anbauer normiert war, zu einem „Tabaksbüschele“ mit ca. 25cm Durchmesser gesammelt, eng geschnürt und nach Qualitäten sortiert. Zu festgesetzten Terminen brachte jeder Anbauer seine Büschel zum Rathaus. Diese wurden auf der großen Tabakwaage gewogen, von den Aufkäufern klassifiziert und verladen. Die Vermarktung wurde vom Ittlinger Tabakbauverein organisiert, der auch die Interessen der Anbauer gegenüber den Aufkäufern der großen Zigarren- und Zigarettenfabriken vertrat. Um 1955 hatte der Tabakbauverein Ittlingen ca. 200 Mitglieder gleich Tabakanbauer. Lange Jahre wurde das „Tabakgeld“ dann jedem Anbauer in bar im Gasthaus Bären ausbezahlt. Immer noch wird erzählt, dass es dabei zeitweise hoch herging. Das Tabakgeld kam zum richtigen Zeitpunkt, um Pachten und sonstige Verpflichtungen bezahlen zu können.

Nach dem zweiten Weltkrieg war Tabak für den Schwarzmarkt begehrt. Mein Vater hat mir erzählt, dass er Tabak gegen eine Sämaschine eintauschte. Mit dem  Strukturwandel und den besseren Verdienstmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft ging der Tabakanbau rapide zurück und wurde ab 1965 mit dem Auftreten einer neuen Pilzkrankheit, dem Tabakschimmel, eingestellt.

     Michael Hauk