Aus Anlass des 50 jährigen Jubiläums der Forlenhöfe in Ittlingen führten Dr. Ulrich Kattermann und Michael Hauk ein Gespräch mit den „Aussiedlern“ Günther Schechter, Gottfried Schwab und Rudolf Kreiter zur Geschichte der Forlenhöfe.

Die Vorgeschichte

Mitte der 1950er Jahre wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein Förderprogramm für die Landwirtschaft – der sogenannte „Grüne Plan“ aufgelegt. Ziel war es, zeitgemäße Strukturen für die Landwirtschaft zu schaffen. Unter anderem sollten moderne Höfe und Flächen entstehen, die sich mechanisch  rationell und damit leichter bewirtschaften ließen. Gleichzeitig wurde das Ziel verfolgt, eine sichere und ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten, die Hungerzeiten lagen noch nicht lange zurück. Unter dem Schlagwort „Bauer kann sein, wer Bauer sein will“ sollten möglichst viele Höfe erhalten bleiben. Der etwa ab Mitte 1960 einsetzende rasante Strukturwandel, die zunehmende Produktivität der Landwirtschaft und bald entstehende Überschüsse an Nahrungsmitteln waren damals noch nicht abzusehen. Zwei wichtige Maßnahmen des Grünen Plans waren die Flurbereinigung und die Aussiedlung von landwirtschaftlichen Betrieben aus z.T. äußerst beengten Hoflagen in die Feldflur.

Dazu berichteten unsere Gesprächspartner

Ende der 1950er Jahre begannen auch Ittlinger Landwirte, die mit ihren Höfen im alten Ortskern in einer fortschrittlichen Entwicklung sehr eingeschränkt waren,  mit Überlegungen, ihre Betriebe in den Außenbereich zu verlagern. Angeregt und tatkräftig gefördert wurden in Baden-Württemberg diese Pläne vom damaligen Landwirtschaftsminister Eugen Leibfried, im Kreis Sinsheim vom Leiter des Landwirtschaftsamtes Eppingen, Herrn Eckert, und dem zuständigen Referatsleiter Berthold Maag, der auch in Ittlingen für diese Maßnahmen intensiv warb.

Drei landwirtschaftliche Betriebe waren bereits ab 1954 in Eigeninitiative im Gewann Heppich als Ortsrandsiedlungen entstanden und dienten als Beispiel.

Zunächst waren für die neuen „Grüne Plan“ Maßnahmen wesentlich mehr Interessenten vorhanden als sich später wirklich dazu entschlossen. Deshalb waren außer der heutigen Lage an der Hilsbacher Straße noch weitere mögliche Standorte in der Gemarkung vorgesehen, wie etwa auf dem Hammberg oder im Gewann Haßlich, da für jeden Aussiedlerhof ca. 15 Hektar landwirtschaftliche Fläche um die Hofstelle zur Verfügung stehen sollten. Ohne eine Flurbereinigung war dies nicht zu erreichen, diese wurde daher gleichzeitig ebenfalls durchgeführt, deren Ergebnisse kamen allen Landwirten und auch den Grundstücksbesitzern zu Gute. Was vielen nicht bekannt ist: In unserem Realteilungsgebiet sind ca. 70-80% der von den Landwirten bewirtschafteten Flächen im Eigentum von privaten Grundstücksbesitzern.

Nach vielen Gesprächen, Informationsveranstaltungen, Lehrfahrten und Planungen reduzierten sich die tatsächlichen Teilnehmer auf letztendlich sechs Landwirte. Als Standort wurde wegen der bereits vorhandenen, guten verkehrsmäßigen Anbindung, das Gewann an der Straße nach Hilsbach gewählt. Im Jahr 1962 war endgültig klar, wer das Angebot zur Aussiedlung wahrnehmen würde. Es waren dies die Familien Heinz Lackner, Günther Schechter, Hermann Kern, Fritz Hege, Gottfried Schwab und Rudolf Kreiter. Deren Betriebsgrößen betrugen ca. 8-12 Hektar Fläche. Die Viehhaltung umfasste Milchkühe, Rindvieh- und Schweinehaltung sowie Hühner und sollte ebenso wie der bisherige vielseitige Ackerbau fortgeführt werden. Flächenausweitungen auf die heutigen Betriebsgrößen oder Spezialisierungen in der Tierhaltung waren damals noch keineswegs abzusehen und nicht vorstellbar.

Für die aussiedlungswilligen Familien bedeutete die Aussiedlung eine große finanzielle Kraftanstrengung. Die alten Hofstellen mussten verkauft werden, dafür wurde ein Erlös von 25 000 DM garantiert,  d.h. der tatsächliche Erlös wurde mit einem verlorenen Zuschuss auf 25 000 Mark aufgestockt. Die restlichen, für die damalige Zeit erheblichen Gesamtkosten wurden mit zinsverbilligten, langfristigen Darlehen finanziert. Die Aussiedler konnten zwischen zwei Standardaus-führungen der Höfe wählen, höhere Ansprüche oder Sonderwünsche mussten ohne Förderung selbst finanziert werden.

Am 27. Juni 1963 war es dann endlich soweit, dass die Baugruben abgesteckt werden konnten. Am 1.Juli wurde mit dem Abtragen des Mutterbodens begonnen. Vier verschiedene Baufirmen wurden mit dem Bau der neuen Gebäude beauftragt. Die Schwierigkeiten waren erheblich, da beispielsweise der Anschluss an die Stromversorgung erst am 6. Oktober 1964 erfolgte. Das bedeutete schwerste Handarbeit für Bauherren und Handwerker. Eine Wasserversorgung gab es auch noch nicht, das Wasser zum Mauern und Betonieren musste aus dem Dorf mit Jauchefässern zu den Baustellen gefahren werden.

Und dennoch konnte im Januar 1964 das Richtfest für alle Höfe gefeiert werden, wie es sich gehört – mit einem Festessen! Das ganze Jahr 1964 wurde noch an der Fertigstellung der Gebäude gearbeitet, ehe dann im November der Umzug der Familien in ihr neues Heim erfolgen konnte. Das Großvieh musste dabei den Weg zu Fuß zurücklegen.

Mit dem Bezug der neuen Höfe wurden die Lebens- und Wohnverhältnisse der Familien (meist zwei Generationen und Kinder) großzügiger und moderner. Vor allem aber wurde die Arbeit in Hof und Stall wesentlich erleichtert. Dafür tauchten andere Probleme und Herausforderungen auf, an die man vorher wahrscheinlich nicht gedacht hatte: Der Weg ins Dorf war lang geworden und musste sehr häufig zurückgelegt werden. Die Kinder mussten zur Schule, die Milch bis 1976 zweimal täglich zum Milchhäusle gebracht werden, man musste im Dorf einkaufen, wollte am Dorf- und Vereinsleben teilnehmen und am Sonntag in die Kirche gehen. Altvertraute Kontakte zu Nachbarn und Freunden waren gerade für die Älteren schwieriger aufrecht zu erhalten oder wurden unterbrochen und das in einer Zeit, als gerade die Frauen noch nicht Auto fuhren. Bis 1968 gab es keine Telefonverbindung zu den Forlenhöfen, vom Besitz eines Mobiltelefons ganz zu schweigen.

Aber der Wandel in Gesellschaft und Landwirtschaft ging unaufhaltsam weiter und auf die Frage ob sie den Schritt zur Aussiedlung jemals bereut haben, antworteten unsere drei Gesprächspartner Günter Schechter, Rudolf Kreiter und Gottfried Schwab einhellig: Auf gar keinen Fall!

Wie haben sich nun in den 50 zurückliegenden Jahren die Aussiedlerhöfe entwickelt? Von den sechs Betrieben musste der Betrieb Kern nach einem tragischen Unfall aufgegeben werden. Die Betriebsgrößen betragen heute ca. 50- 120 Hektar, und nur ein Betrieb wird noch als reiner Vollerwerbsbetrieb bewirtschaftet. Dieser hält heute mehr als doppelt so viele Milchkühe als alle Betriebe bei der Aussiedlung zusammen. Die anderen Betriebe werden im Zu- und Nebenerwerb geführt und betreiben nur noch Ackerbau.

Die „Gründergeneration“ ist abgetreten und im Altenteil, inzwischen leben und arbeiten deren Kinder und Enkel auf den Forlenhöfen.

 

       Michael Hauk