Zum 80ten Mal jährte sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November das schreckliche Geschehen der Reichspogromnacht. Dies nahm die Gemeinde Ittlingen, vertreten durch Bürgermeister Kai Kohlenberger, zum Anlass, zusammen mit dem Heimatverein Ittlingen e.V. eine Gedenktafel für die Ittlinger Synagoge in der Mühlgasse 36 zu enthüllen.
Für den Heimatverein Ittlingen e.V. hielt Dr. Ulrich Kattermann vor den zahlreichen Besuchern eine kurze Ansprache, in der er Einblicke in das jüdische Leben in Ittlingen gab:
„Zur Synagoge der Ittlinger jüdischen Gemeinde, an deren Zerstörung heute genau vor 80 Jahren mit der Enthüllung der Gedenktafel erinnert werden soll, läßt sich leider nur sehr wenig sagen. Es gibt meines Wissens nur ein einziges historisches Foto, das die Synagoge nach den Zerstörungen des 9. November 1938 mit beschädigtem Dach und eingeschlagenen Fenstern zeigt. Das Gebäude wurde noch im selben Monat bis auf die Grundmauern abgebrochen. Die Synagoge hier in der Mühlgasse war keineswegs der erste Gebetsraum der Ittlinger Juden, denn schon im Jahr 1686 erwähnte der damalige Ortspfarrer eine „Schul und Synagoge“ in der Nähe des alten Rathauses. Der Versammlungsraum war in einem Privathaus untergebracht, dessen spätere jüdischen Eigentümer mit den übrigen Gemeindemitgliedern in Streit gerieten, da sie über die Platzverteilung beim Gottesdienst bestimmen wollten. Daraufhin bemühte sich die Mehrzahl der Gemeindemitglieder um den Ankauf eines Bauplatzes für eine neue Synagoge. Dies führte hier in der Mühlgasse schließlich zum Erfolg, auch wenn sich die politische Gemeinde dagegen sträubte. Daraufhin wollte die jüdische Gemeinde vom Kaufvertrag wieder zurücktreten, was von der Herrschaft in Gemmingen jedoch nicht genehmigt wurde. Und so wurde die Synagoge im Jahr 1805 erbaut.
Eine Synagoge ist, wie der griechische Begriff ausdrückt, ein Ort der Versammlung. Obwohl darin Gottesdienste stattfinden, ist die Synagoge im Unterschied zu einer christlichen Kirche kein geweihter Ort. Da in ihr auch der Religionsunterricht und das Lehren der hebräischen Sprache stattfanden, wurde sie oft auch mit dem jiddischen Wort „Schul“ bezeichnet. In den kleineren ländlichen Gemeinden fand in der Regel der Gottesdienst einmal in der Woche am Samstagvormittag – am Sabbat – statt. Der Sabbat begann am Freitagabend bei Einbruch der Dämmerung mit einer Feier zu Hause. Auch die hohen jüdischen Feiertage wurden natürlich in der Synagoge begangen.
Das Herz der Synagoge sind gewissermaßen die Thorarollen, die 5 Bücher Mose, die in einem Schrein über dem Altar aufbewahrt wurden. Die Lesung der Thora ist der Mittelpunkt des jüdischen Gottesdienstes, eine Predigt gibt es nicht. Der Leiter des Gottesdienstes ist der Kantor bzw. Vorbeter, nicht der Rabbiner. Dieser ist vielmehr ein Rechtsgelehrter und Kenner des jüdischen Gesetzes und Vorsteher der Gemeinde.
Alle am Gottesdienst beteiligten Gläubigen sind gleichwertig vor Gott und bedürfen keines Mittlers. Die Mindestanzahl der Betenden sind zehn religionsmündige Männer. Die Frauen hatten in der Synagoge eine eher untergeordnete Rolle; ihnen war der Aufenthalt auf der Empore vorbehalten. Der religiöse Mittelpunkt der jüdischen Frau sind Haus und Familie. Die vorgeschrieben Mindestanzahl von zehn Männern beim Gottesdienst führte bei der Abwanderung der Juden in die Städte schon vor der Zeit des 3. Reiches zu einem Ende der jüdischen Gottesdienste in vielen kleinen ländlichen Gemeinden. Ob im Jahr 1938 noch regelmäßig jüdische Gottesdienste in der Ittlinger Synagoge stattfanden, ist mir nicht bekannt“.
Umrahmt wurde die Gedenkfeier vom Ittlinger Posaunenchor, dem der Dank des Heimatvereins gilt.
Ein herzlicher Dank gilt auch dem Steinmetzbetrieb Pisot aus Kirchhardt, der die neue Gedenktafel angefertigt und gestiftet hat.